Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias, den 20. Januar 2023, Röm 1,16-17

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias, den 20. Januar 2023, Röm 1,16-17

 

16 Denn ich scheme mich des Euangelij von Christo nicht / Denn es ist eine Krafft Gottes / die da selig machet / alle / die daran gleuben / die Jüden furnemlich vnd auch die Griechen. 17 Sintemal darinnen offenbaret wird die Gerechtigkeit / die fur Gott gilt / welche kompt aus glauben in glauben / Wie denn geschrieben stehet / Der Gerechte wird seines Glaubens leben. (Übersetzung Martin Luther 1545)

 

Oft schon habe ich erlebt, dass dem christlichen Glauben eine Ablehnung entgegenschlägt, die es darauf anlegt, zu beschämen. Wer wie ich im "real existierenden Sozialismus" aufgewachsen ist, kann ein Lied davon singen. Systemtreue Funktionäre gefallen sich immer darin, die Kirche lächerlich zu machen. Das muss damit zu tun haben, dass die Kirche das Heil verkündigt. Darin fühlen sich Sozialisten aller Couleur gefährdet, bis heute. Denn sie allein verfügen doch über die notwendige Einsicht und das politische Programm, das Heil der Welt heraufzuführen. Sie sagen gerne "wir wissen das" und "wir schaffen das" und schrecken nicht davor zurück, Unglück über die Völker zu bringen. Stets werfen sie sich zuerst auf den Bildungssektor. Linientreue DDR-Lehrer gefielen sich darin, die wenigen christlichen Kinder vor der ganzen Klasse lächerlich zu machen. "Wo ist den nun dein Gott?" fragten sie. "Zeig ihn uns, wenn es ihn gibt!" Auch ich war als Grundschüler in solche Situationen geraten, bei denen ich die Antwort schuldig bleiben musste und beschämt zu Boden blickte.

 

Ich erinnere mich noch an den Augenblick, in dem mich die Scham über die Scham packte und ich bei mir beschloss: Das lasse ich mir nicht mehr gefallen. Ab sofort werde ich den christlichen Glauben verteidigen, und zwar "nach vorn", nicht "nach hinten". Was meine ich damit?

 

Eine Verteidigung "nach hinten" nimmt sich zurück, mildert ab, sucht sich mit mühsamen Kompromissformulierungen hindurch zu schlängeln und gibt alles in allem das Bild ab, in halbem Rückzug das zu retten, was zu retten ist. Das ist elendiglich und schäbig und läuft im Grunde auf eine Verleugnung Christi hinaus. Eine Verteidigung "nach hinten" gleicht einem Manne, der seine Hand an den Pflug legte und sieht zurück.

 

Eine Verteidigung "nach vorn" dagegen lebt ganz und gar aus der Gewissheit. Sie sagt: "Ich glaube an Gott von ganzem Herzen. Mein Glaube ist das Schönste und Wichtigste von der Welt. Aus tausend Gründen stehe ich mit meiner ganzen Existenz dafür ein." Mit einem Wort: "Ich schäme mich des Evangeliums von Christus nicht!"

 

Worin hat eine solche Verteidigung des Evangeliums "nach vorn" ihre Begründung? Da gibt der Apostel eine klare Antwort: Dieses Evangelium ist eine Quelle der Kraft. Die froh und frei machende Botschaft des Heiles und der Heilung schenkt dem Gläubigen tagtäglich neue Zukunft in guten und schlechten Zeiten. Ja, vor allem denen, die sich in schlechten Zeiten wiederfinden, spricht sie neuen Lebensmut zu. "Liebes Kind", spricht sie, "du bist in diese Welt gestellt an einen schwierigen Ort. Nur du kannst und sollst dort sein. Bewähre dich darin. Ich will dich stärken und leiten und dahin führen, wo ich dich haben will." Ja, solch eine Kraft ist das Evangelium, dass es seine Kraft entfaltet in schweren Zeiten. Wie auch nicht, da es, anders als die wechselnden Ideologien mit ihren lächerlichen Imperativen, jeden Tag neu in der Kraft des lebendigen Geistes spricht. Das ist sein Geheimnis.

 

In solchen Momenten wächst der Glaube im Menschen. Ich wage zu behaupten: Vorzüglich in solchen Augenblicken wächst der Glaube. Da schenkt sich das Wort Gottes unvergleichlich kraftvoll. Da spricht Gott im inwendigen Menschen und lässt seinen Glauben die Schwingen ausbreiten wie ein Adler "aus Glauben in Glauben". Diese Formulierung des Apostels lässt aufhorchen. Ich kann sie nur so verstehen, dass der Glaube in einer Dynamik steht. Er soll nur immer noch fester, unbeirrter und verlässlicher werden als er gewesen. Mit Blick auf genau diese Stelle im Römerbrief schreibt Martin Luther: "Glaube ist eine lebendige, verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade, so gewiss, dass er tausend Mal darüber stürbe". (Vorrede zum Römerbrief von 1545)

 

Lasst uns Gott um einen solchen Glauben bitten. Wir haben ihn dringender nötig als je. Er nimmt in Zucht, macht demütig und nüchtern. Er lässt aufhorchen und rückt den Geist Gottes, der unablässig in uns spricht, ins Bewusstsein. Er schenkt Gelassenheit. Und er schenkt Lebensmut für das, was Gott von uns will.

 

 

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019