Predigt 1. Thess 5, 23f.

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

 

 

Der Gott des Friedens heilige euch durch und durch und euer Geist samt Seele und Leib müsse bewahrt werden, unversehrt, untadelig auf die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. Treu ist er, der euch ruft. Er wird’s auch tun. 1. Thess 5,23-24

 

Ein gewisser Christof Kuhbandner ist Professor für Pädagogische Psychologie (habe nicht gewusst, dass es ein solches Fach gibt) an der Universität Regensburg. Ich habe kürzlich ein Interview mit ihm gehört. Darin hat er den Unfrieden, der über den Umgang mit den staatlichen Corona-Maßnahmen ausgebrochen ist, mit einem - wie ich finde -  treffenden Bildwort geschildert. (https://www.youtube.com/watch?v=GUDdN20Odkc, ca. min 48) Er sagt, es gebe eine große Zahl von Menschen, die sich selbst wie in einem Spiegelhaus betrachten, das vor ihnen errichtet wird. Er denk vermutlich an so etwas wie ein Kartenhaus, nur eben aus Spiegeln. Ich sehe und betrachte mich mit Brechungen und Fragmentierungen, ganz nach der Art dessen, der dieses Spiegelhaus vor ihnen errichtet. Entscheidend ist dabei, dass das Bild des Betrachters von fremder Hand, von außen und nach fremden Willen geschaffen werde. Nun kann es geschehen, dass eine Erschütterung dieses Spiegelhaus zum Einsturz bringt. Es fällt und geht in tausend Scherben. Dann steht der Mensch vor dem Nichts; er sieht nichts mehr und er ist nichts mehr. Was tut er? Er wendet sich dem zu, der vor Ihm das nächst Spiegelhaus errichtet. Das Ich über ein solches „Spiegelschloss“ zu definieren mag schlimm sein; noch schlimmer ist aber, dass es einzufallen droht oder auch wirklich einfällt und in vergleichbarer Verzerrung und Brechung von fremder Hand erneut erbaut wird.

 

Die Welt ist im Unfrieden - und mit ihr jeder einzelne von uns. Mitunter gewinnt man den Eindruck, als läge den Mächtigen der Welt daran, jeden einzelnen Menschen in Unfrieden zu stürzen, zu verwirren und zu brechen. Dieses Zerbrechen zielt auf den Verstand, die Psyche und den Körper gleichermaßen ab.

 

Warum ist es scheinbar reizvoll für einen Mächtigen in der Welt des Digitalen, der Finanz oder der Politik, den Menschen dreifach fragil zu halten? Was mag sein Motiv sein, die Menschen in Unfrieden zu stürzen? Wer mit kriminalistischem Gespür fragt, wird vielleicht eine ganze Reihe von Tatmotiven entdecken. Es ist nicht meine Aufgabe, diesem nachzugehen.

 

Meine Aufgabe ist es aber, das Wort der Heiligen Schrift dagegen zu setzen. Das bedeutet, den Frieden Gottes und die Unversehrtheit  von Geist, Seele und Leib zu verkündigen und an den Zielpunkt zu erinnern, auf den hin der Gläubige unterwegs sind.

 

Denn genau das tut der Apostel Paulus in seinem Briefschluss an die Leute in Thessaloniki. Er fällt unter die Kategorie „was ich unbedingt noch sagen wollte“, bevor der Brief zu Ende ist. Es handelt sich also um eine ganz wichtige abschließende Mitteilung. Was würden wir Leuten schreiben, die uns am Herzen liegen, damit sie sich daran festhalten sollen in unsicherer Zukunft?

 

Der Apostel Paulus tut ein Dreifaches: Erstens gibt er Gott einen Beinamen. Er nennt ihn einen Gott des Friedens. Er sagt damit: Unser Gott ist ein Gott des Friedens. Er erzeugt keine innere Aufwühlung, kein hektisches Umgetriebensein und keine Kopflosigkeit. Er bleibt der Ansage seiner Engel treu, die Christus, den "Friedensfürsten" ankündigen mit den Worten: „Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens“. Also, Gott hat den Frieden im Sinn, der Heil und Heilung schafft unter uns geplagten Menschen. Das alles sollte uns längst bekannt sein; warum halten wir uns nicht daran? Im Glauben gewinnen wir Frieden und Heil für unser Leben.

 

Unser Vers ist eine berühmte Belegstelle für die Sicht des Menschen, die bis heute vielfach geteilt wird. Denn der Apostel sieht in den drei Größen von Geist, Seele und Leib konstituiert. Man kann über Wörter streiten; dass wir aber mehr sind als die Summe physikalischer Gegebenheiten und chemischer Reaktionen, das leidet keinen Zweifel. Der weitverbreitete Gegenwartsüberzeugung, die den Menschen hauptsächlich als Experimentierfeld pharmakologisch zu optimierender Körperlichkeit wahrnimmt, ist im Namen einer christlichen Anthropologie auf das Schärfste zu widersprechen. Ein Unheil dieser Tage scheint mir eine wüste Sorge um den ultimativ gesunden Körper bei gleichzeitiger Missachtung des Geistes, vom Heil der Seele ganz zu schweigen.

 

Schließlich und endlich gibt der Apostel noch das "Wohin" unserer Reise an. Er benennt den Fluchtpunkt unseres Weges, zu dem wir ein Leben lang unterwegs sind. Er verweist auf Christus. Der sei unsere Zuflucht, auf den sich die Christenheit ausrichten soll. Bei diesem Lebendigen suchen wir nichts weniger als Heil und Heilung. Da wir in einer zerbrochenen und unheiligen Welt leben, ja selbst auch Teil dieser fragilen Welt sind, bleibt uns unter allen Umständen letztlich nur die Hoffnung, dass er kommt, handelt und spricht.

 

Meine Überzeugung ist, dass Gott in mir spricht. Man kann ihn hören. Er weckt den Glauben in meinem Herzen. Und im Glauben wird mir klar, "was gut und was böse ist und was der Herr von mir fordert". In diesem Glauben erkenne ich den den Schöpfer und Erhalter aller Dinge. Ich erkenne, wer und wie ich bin. Diese Erkenntnis verwandelt mich und mein Tun.

 

Um das Bild vom "Kartenhaus aus Spiegeln" aufzugreifen: Ich werde fröhlich durchschauen, wenn Leute versuchen, ein Bild von mir zu konstruieren, dem ich entsprechen soll. Ich benötige dergleichen nicht mehr, um zu sein, wer ich sein soll. Ich ziehe fortan meine Bahn im Frieden Gottes, dahin, wo er mich hinruft, geheilt und geheiligt allein aus Glauben.

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019