Predigt am 2. Advent 2021, Jes 63,16b-17

von Pfarrer Friedrich Christoph Ilgner

Du, HERR, bist unser Vater; "unser Erlöser", das ist von alters her dein Name. Warum lässt du uns, HERR, abirren von deinen Wegen und unser Herz verstocken, dass wir dich nicht fürchten? Kehr zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Erbe sind! Jes 63,16b-17

 

Liebe Kinder, liebe Eltern, eben wurde die Geschichte von dem kleinen, unansehnlichen Kerzenstummel erzählt, der durch die Welt wandert und sich immerzu schämt, dass er nicht groß und prächtig ist, sondern traurig darüber, dass ihn scheinbar niemand braucht. Er hat nichts und er kann nichts und er ist nichts. So denkt er.

 

Aber wir haben auch gesehen, dass das nicht stimmt. Am Ende landet er auf  dem Tisch einer kranken Frau und beleuchtet das Jesuskind mit Maria und Joseph. Da ist er zum Ziel gekommen, denn er hat Christus ins Licht gesetzt. Dabei ist er doch nur ein jämmerlicher Kerzenstummel.

 

Die Geschichte möchte den Gedanken stark machen, dass es im Leben darauf ankommt, Christus "ins Licht" zu setzen. Und sie möchte dich und mich dafür gewinnen, das auch zu tun. Ich rufe es euch mit allem Nachdruck zu: Es kommt darauf an für groß und klein, dick und dünn, jung und alt, dass Ihr Christus zum Leuchten bringt. Es ist mir sehr ernst. Es kommt darauf an, dass wir die Botschaft der Erlösung an die Menschen weitersagen, die es nicht wissen oder schon vergessen haben. Matthias Claudius hat das so schon auf den Punkt gebracht, als er an seinen Sohn Johannes schrieb: "... und gehe nicht aus der Welt, ohne Deine Leibe und Ehrfurcht für den Stifter des Christentums durch eigend etwas öffentlich bezeugt zu haben." Denn wenn wir das unterlassen, kommt die Botschaft von der Erlösung nicht in diese Welt. Diese Welt braucht aber diese Botschaft, weil sie sonst unerlöst dahinlebt, gefangen in sich selbst und ihrem abwegigen Treiben.

 

"Du, HERR, bist unser Vater; 'unser Erlöser', das ist von alters her deine Name." So lautet die große Botschaft, die auf die Christgeburt hin ausgerichtet ist. Was bedeutet das? Wenn Gott Mensch geworden ist, dann ist das göttliche Heil in diese Welt eingegangen, in ihr lebendig und wirksam. Dann gleicht Christus einem Licht, das die Welt erhellt und alles bis in die kleinsten Winkel ausleuchtet.

 

Haben wir das Licht vom Licht empfangen? Lassen wir es vor den Leuten leuchten, wie es unsere Aufgabe ist? Ich halte hier in meiner Hand einen kleinen, roten Kerzenstummel. Es ist nur ein sprichwörtliches "kleines Licht". Mancher mag denken: Ach ja, ich bin doch auch nur ein "kleines Licht". Was kann ich schon ausrichten?

 

Und richtig, nicht immer ist es ohne Müh' und Plage. Das weiß ich wohl. Denn es kommt vor, dass von dem kleinen Licht heißes Wachs auf die Handfläche läuft und brennt. Da muss man dann die Zähne etwas zusammenbeißen und sich sagen: Gleich wird es besser. Du wirst es durchstehen. Die Wichtigkeit der Sache gebietet, auszuhalten und zu widerstehen. Hauptsache das Licht leuchtet weiter. Liebe Schwestern und Brüder, es gibt Momente im Leben, in denen es schmerz, das Christuslicht leuchten zu lassen. Vor allem wenn es die Wahrheit gilt, die bezeugt werden soll, weil, wer aus der Wahrheit ist, seine Stimme hört. Was, wenn man mit der wunderbaren Erfahrung, gestählt worden zu sein, aus einer solchen Verkündigung hervorgehen dürfte?

 

Das war das eine, was ich sagen wollte. Das andere ist dies: Ist es vorstellbar, dass in unserer kleinen Geschichte die stolze, große, prächtige Kerze die ächzenden Stufen in die Kammer der Frau im 5. Stock hinaufgestiegen wäre, um Christus ins Licht zu setzen? Solche stattlichen Kerzen leuchten schön und hell. Alles mögliche leuchten sie aus, Decken und Wände. Auch sind sie schon von weitem zu sehen. Aber es gibt ein Problem. Sie werfen einen großen Schatten um sich her. Alles, was sich direkt um sie her befindet, bleibt im Dunkeln. In der Blendwirkung solch stattlicher Lichter bleibt Christus in der Finsternis gefangen und auf ewig unerkennbar.

Ärgere dich darum nicht allzu sehr, wenn du keine "große Leuchte" in der Welt bist. Die haben Schattenseiten. Hauptsache, du brennst für Christus! 

 

Ein Mensch, der nüchtern sich betrachtet,

Sein Leben auf den Prüfstand stellt

Nach Größe und Bedeutung schmachtet,

Sieht im Ergebnis sich geprellt,

Mit schütter'm Haupt er schließlich spricht,

Ach, ich bin nur ein kleines Licht.

 

Der Gute urteilt nicht gerecht,

Denn eines hat er nicht bedacht,

Er hätte werden müssen Knecht,

Schwindeln und buckeln für die Macht.

Stracks da, wo er die Welt erhellt,

Hat ihn der Herrgott hingestellt.       

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019