Predigt zum 4. Advent, den 19. Dezember 2020 zu 1. Mose 18,13

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

" Da sprach der HERR zu Abraham: Warum lacht Sara und spricht: Sollte ich wirklich noch gebären, nun, da ich alt bin? Sollte dem HERRN etwas unmöglich sein?" (1. Mose 18,13)

 

Vorgestern erschien in der Zeitung eine Rezension über das jüngste Buch von Peter Sloterdijk. Es trägt den an sich schönen Titel "Den Himmel zum Sprechen bringen". Der Titel ist irrig. Im Grunde handelt sich um eine spätaufklärerische Kritik an der Religion (das Christentum eingeschlossen) mit heiter-spöttischem Unterton. Auf den Punkt gebracht lautet seine These: Der Glaube ist erledigt. Es handele sich von außen betrachtet um einen einzigen Wirrwarr skurriler Inhalte. Im Grunde bleibe von ihm nichts übrig als "Schriften, Gesten, Klangwelten", die "aufgehobene Formeln" darbieten. Wenn der Glaube überhaupt einen Sinn habe, dann den, dass sich einzelne gelegentlich "auf die Verlegenheit ihres einzigartigen Daseins ... beziehen" könnten.

 

Der Rezensent liegt voll auf dieser Linie. Das überrascht nicht. Es handelt sich um eine typische Mehrheitsmeinung. Er rühmt die heiter-gelassene Haltung, die feine Ironie und die "spöttische, fröhliche Wertschätzung" der Religion durch den Autor. Er endet seinerseits ebenfalls humorig, indem er mit Blick auf die "spöttische, fröhliche Wertschätzung" der Religion durch Sloterdijk festhält: "Erst wenn so etwas möglich ist, ist Gott wirklich tot. Und bei Gott, das wäre keine schlechte Nachricht." Ist das nicht wahrlich spaßig?

 

Mir scheint, die ironisch gefärbte Entwertung ernster Themen ist das Signum unserer Zeit geworden. Die großen Fragen des Christentums finden, wenn überhaupt, bei den Meinungsmachern der so genannten "säkularen Gesellschaft" im Grunde nur noch als lächerliche Phänomene Beachtung. Die Denkunmöglichkeit Gottes ist zu einer solchen Selbstverständlichkeit geworden, dass man meint, eine ernste Gottesrede nur noch mit ungläubigem Lachen quittieren zu können.  

 

Dieses Motiv trifft in etwa auch Sara. Sie lacht. Ihr Lachen ist ein ungläubiges. Die Geschichte von den drei Gott-Männern bei Abraham ist berühmt. Wir kennen sie alle seit Kindertagen und müssen sie nicht repetieren. Aber das Motiv des ungläubigen Lachens sticht hervor. Dabei ist es nicht so, dass Sara von außen betrachtet keinen Grund zum Lachen hätte. Im Gegenteil, sie hat ihn durchaus, denn dass sie in ihrem Alter noch einem Sohn sollte das Leben schenken dürfen, das ist nach menschlichem Ermessen völlig ausgeschlossen. "Bei Gott, das ist doch lächerlich!", hat sie gedacht.

 

Das ungläubige Lachen ist Ausdruck fehlenden Glaubens. Und in der Tat, es gibt ja auch massenhaft Vernunftgründe, die Hoffnung auf das Heil fahren zu lassen. Unser In-der-Welt-sein hat immer die Tendenz, Gott draußen zu halten. Die ehernen Gesetze der Welt und des Lebens in ihr drängen sich mit Macht auf. Die harte Hand und unabweisbare Schwere des menschlichen Schicksals, das chaotische Züge trägt, lassen für viele Menschen nur den Schluss einer verworrenen Absurdität des Weltganzen zu. Gerade in diesen Corona-Zeiten mit all der hyperagilen Regelwut, die doch nur in immer neue Ohnmacht führt, beweist dies jeden Tag aufs Neue.

 

Für Sara lautet der Schluss: Gott kann in einer solchen Welt nicht sein, weil sie nicht so sein dürfte, wie sie ist, wenn er in ihr wäre. Sie denkt: "Nach allem, was ich weiß, was ich in meinem Leben erfahren habe und was ich mir an den Fingern ausrechnen kann, ist eine heilvolle Wende meines Lebens nicht mehr möglich. Wer etwas anderes sagt, will mich verkohlen. Das ist ja lachhaft." So hat sie im bitteren Lachen des Unglaubens Gott aus der Welt gedrängt. 

 

Wir wissen, wie es bei ihr ausging. Der Strom des Lebens hat sie doch erreicht und durfte durch sie hindurch fließen. Wider jedes Erwarten und gegen jede vernünftige Voraussage hatte sich Gott doppelt treu erwiesen, nämlich als der, der sein Wort hält und als der, der neues Leben schenkt.

 

Hier taucht das Motiv des Lachens nochmals auf. Nun aber ist es ein gewendetes Lachen: "Hundert Jahre war Abraham alt, da ihm sein Sohn Isaak geboren ward. Und Sara sprach: Gott hat mir ein Lachen zugerichtet; denn wer es hören wird, der wird über mich lachen, und sprach: Wer durfte von Abraham sagen, dass Sara Kinder säuge? Denn ich habe ihm einen Sohn geboren ..." (1. Mose 21,5-7)

 

Sollte denn Gott etwas unmöglich sein? Liebe Freunde, diese Wahrheit ruft uns die schöne Geschichte von der großen, unerwarteten Lebenswende Saras in Erinnerung. Sie passt hervorragend in die Adventszeit. Sie passt in unsere chaotische Gegenwart, die über den Glauben nur noch mokant lächeln kann. Was ist bloß aus den Leuten geworden? Die große Angst scheint der Motor und Taktgeber des Lebens geworden zu sein, wahlweise vor politischen Gegnern oder lebensbedrohlichen Viren oder anderweitigen Bedrohungen, gegen die immerzu hektisch vorgegangen werden muss. Im gleichen Atemzug wird Gott aus der Welt gedrängt. 

 

Der Gedanke, dass es Bedrohungen (wer weiß, vielleicht aus gutem Grunde?) immer gegeben hat und wohl auch geben wird, darf doch nicht dazu führen, auch nur für den Augenblick eines Wimpernschlages zu vergessen, dass Gott der Herr der Welt bleibt. Und in jeder Adventszeit, in jedem Christfest wird erneut gefeiert, dass er sich eben aus der Welt nicht heraufdrängen lässt. Er kommt, ja er kommt immer wieder. 

 

Er wird das in unseren Augen Unmögliche möglich machen. In diesem Glauben bewahren wir die nötige Gelassenheit und Zuversicht, das zu tun, was getan werden muss und das laufen zu lassen, was unserem Zugriff, ebenfalls aus gutem Grunde, entzogen ist. Der Glaube hält daran fest, dass sich im überraschenden, hintergründigen Handeln Gottes der Strom des Lebens Bahn bricht. Und dies ist der Grund zu einem in Fröhlichkeit gewendeten Lachen auch bei uns.

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019