Gedanken zur Tageslosung am Mittwoch, den 19. August 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner 

 

Mose sprach zu dem HERRN: "Sieh doch, dass dies Volk dein Volk ist." 2 Mose 33,13

 

"Wenn sich doch nur einer findet, der mir beispringt, nur ein einziger!" Ziemlich genau vor zehn Jahren dachte ich so. Ich hatte einem Gremium vorzustehen, in dem es vier Personen gab, die mir nicht wohlgesonnen waren. Jede Sitzung endete in einem schweren Missklang. Ich glaube fast, man hatte sich abgesprochen. Es war eine einzige Unverschämtheit. Nach meiner Erinnerung wurden allerlei Dinge an den Haaren herbeigezogen, die zum Schein einer Anklage oder eines Vorwurfes aufgebauscht werden konnten.

 

Das Spielchen ging so: Einer beginnt, der zweite verstärkt, der dritte sorgt dafür, dass das Süppchen weiter köchelt und der vierte beginnt noch einmal von vorn. Man hält einige Monate stand, auch ein Jahr zur Not. Wenn es aber immer ärger und immer dreister wird, wünscht man sich, dass ein Wunder geschähe, indem irgendjemand aufsteht und einem beispringt. Wo war die Person, die sagte: "Schluss damit, kriegt euch wieder ein"? Lange gab es sie nicht. Die schweigende Mehrheit guckte groß und ließ es geschehen.

 

Doch dann passierte ein Wunder. Eine mutige Dame fand sich, dann noch jemand und dann noch jemand. Sie traten für mich ein. Ich allein hätte es nicht geschafft. Sie haben mich gerettet.

 

Die Worte des Propheten Mose stellen solch ein Eintreten für sein Volk dar. Hätte er es nicht getan, das Volk hätte die Wüstenzeit nicht überstanden. Im Unterschied zur eingangs geschilderten Situation kann man allerdings nicht sagen, dass nichts vorgefallen wäre. Im Gegenteil. Im Raum stehen allergewichtigste Vergehen, nämlich Treuebruch und Götzendienst. Gott ist außer sich vor Enttäuschung und Zorn.

 

Der Zusammenhang ist der folgende: Israel hatte sich, gottlos wie es war, am Fuße des Sinai den berühmten goldenen Götzen (das so genannte "goldene Kalb", das wohl eher ein Stierbild gewesen ist, 2 Mose 32,1-6) verfertigt und als Gottesbild angebetet. Mit Bösem hatte es die Befreiung aus der ägyptischen Knechtschaft vergolten. Voller Abscheu hatte Mose diesen Treuebruch am Gott der Väter gebrandmarkt. Wie kann so etwas Abartiges für die Leute wichtig sein? Gott ist im Begriff, sich vom Volk Israel abzuwenden. "Ich selbst will nicht mit dir hinaufziehen, denn du bist ein halsstarriges Volk". (2 Mose 33,3)

 

In dieser Situation bietet Mose allen Mut und alle Kräfte auf. Im Zwiegespräch bietet er sich selbst als Opfer an. Gott lehnt ab. Was ist zu tun? In letzter Not erinnert er ihn an sein einstiges Versprechen. Er legt ihm das Volk Israel ans Herz und sagt: "Sieh doch, dass dies Volk dein Volk ist." Du hast es dir erwählt. Willst du es denn fallen lassen? Willst du den Faden der herrlichen Geschichte, die du begonnen hast, denn einfach abschneiden?

 

Damit hat Mose die Wende bewirkt. Die Antwort im Zwiegespräch lautet: "Mein Angesicht soll voran gehen; ich will dich zur Ruhe leiten." (2 Mose 33,14)

 

Für jemanden eintreten in der Not und Fürbitte leisten, wenn jemand darauf angewiesen ist - das ist tagtäglich nötig. Man blicke sich nur um in einer Welt, die darauf wartet, dass der Nächste Fehler macht, die man gegen ihn wenden kann. Hier sind und bleiben wir gefordert und berufen, im Sinne Jesu zu wirken.

 

Paulus schreibt: "Gott hat euch berufen durch unser Evangelium, damit ihr die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus erlangt." 2 Thess 2,14

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019