Tageslosung für Freitag, den 19. Juni 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

"Der HERR spricht: Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du gehen sollst." Ps 32,8

 

Ich war am vergangenen Mittwoch zu einem prächtigen Orgelkonzert in der Dresdner Frauenkirche. Es war ein berauschendes Erlebnis. Ich hatte dabei viel Zeit, den Altar anzusehen. Manche Teile sind noch original erhalten. Man sagt, dass, als der Brand am 13. Februar 1945 durch die zerborstenen Fenster in die Kirche von außen hineinschlug und die gesamte Inneinrichtung im Nu erfasste, auch die Silbermannorgel, die sich über dem Altar befand, Feuer gefangen habe und kopfüber hinabgestürzt sei. Die Orgel habe sich dabei schützend vor das Sandsteinrelief des Altars gelegt, dass es vor der völligen Zerstörung bewahrt wurde. Später, als man den Schutt beräumte, sei er zwar beschädigt, aber nicht völlig zerstört gewesen. Die Schäden am Sandstein hat man absichtlich nicht übertüncht. Das Gebet Jesu im Garten Gethsemane blieb also erhalten.

 

Christus im Ölberg, in der Nacht seines Verrates, die Not des nächtlichen Gebetes in Einsamkeit, der große Wandel in der Sicht auf das eigene Geschick: "Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!" (Mt 26,39)

 

Diese Einsicht, die auch der dritten Bitte im Vaterunser "dein Wille geschehe" entspricht, antwortet dem Psalmwort unserer Tageslosung. Diese Wendung im Gebet Jesu hat die Menschheit immer schon tief berührt. Vielleicht, dass Christus in diesem Augenblick erst völlig verstanden hatte, dass es gilt, sich der Führung Gottes ganz und gar zu überlassen.

 

Was geschah damals in ihm? Hat es ihn in diesem Augenblick geschaudert, da er doch wusste, was der Verräter und die, die ihn gedungen, im Schilde führten und welch furchtbarer Weg ihm noch bevorstehen würde? Oder war in dieser Bitte schon das unerschütterliche Gottvertrauen gewonnen, dass Gott, egal was geschehen mag, letztlich in Verkehrung des Ausrechenbaren eben doch Errettung, Erlösung und Versöhnung im Sinn hat?

 

Man kann sich ja einmal überlegen, was es für unser Leid und Leiden bedeutet, wenn es von Gottesgewißheit umfangen wird. "Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen aus. Zu dir schrieen sie und wurden errettet; sie hofften auf dich und wurden nicht zu Schanden ... Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer." (Ps 22,4-5.11)

 

Vermutlich bleibt es ein mühsam errungener, lebenslanger Weg, die Wendungen und Geschicke unseres Lebens, unserer Familien, unseres Volkes, unseres Vaterlandes, der Völker der Erde - wir drohen ja weitgehend dem Gefühl der Ohnmacht zu erliegen -  erneut unter einen Lehrtext zu stellen, der lautet: "Versteht, was der Wille des Herrn ist." Eph 5,17

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019