Predigt am Sonntag Misericordias Domini, den 23.04.2023, 1. Petr 5,2

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

Predigt am Sonntag Misericordias Domini, den 23.04.2023, 1. Petr 5,2

 

 2 Weidet die herde Christi / so euch befolhen ist. (Bibelübersetzung Martin Luther 1545)

 

Kürzlich fiel mir mein altes Kinderbuch in die Hände, das ich immer noch besitze. Es trägt  den altertümlichen Titel "Schatzkästlein für die Jugend" und ist, weit über 100 Jahre alt, schon ordentlich verschlissen. Aber es ist noch immer herrlich zu lesen und enthält allerlei neckische Geschichtchen und Anekdoten, wie ich sie liebe. Darunter findet sich auch eine mit der Überschrift "Farbenspiel". Sie ist etwas aufs Wort gestellt und lautet wörtlich:

 

"In einer Schule saßen zwei Schüler, von denen hieß der eine Schwarz, der andere Weiß, wie es sich treffen kann; der Schullehrer aber für sich hatte den Namen Rot.

Geht eines Tages der Schüler Schwarz zu einem anderen Kameraden und sag zu ihm: 'Du, Jakob', sagt er, 'der Weiß hat dich bei dem Schulherrn verleumdet.'

Geht der Schüler zu dem Schulherrn und sagt: 'Ich höre, der Weiß habe mich bei Euch schwarz gemacht, und ich verlange eine Untersuchung. Ihr seid mir ohnehin nicht grün, Herr Rot!'

Darob lächelte der Schulherr und sagte: 'Sei ruhig, mein Sohn! Es hat dich niemand verklagt, der Schwarz hat dir nur etwas weis gemacht.'" (Johann Peter Hebel, erstmals im Jahre 1811)

 

Das ist eine harmlose, kleine Geschichte. Aber vielleicht steckt doch mehr dahinter, als man im ersten Augenblick meint. Denn sie handelt von Schwindel, Verleumdung, Manipulation, Destruktion, Täuschung und allerlei unlauteren Absichten. Nicht immer geht es so glimpflich aus wie hier.

 

Am heutigen Tage haben wir vor allem unsere Konfirmanden im Sinn. Es will sich uns das Herz krampfen, wenn wir bedenken, welchen Gefahren sie ausgesetzt sind. An allen Ecken und Enden lauert ihnen irgendwer auf, der sagt: "Folge mir! Ich habe genau das richtige für dich! Ich meine es doch gut mit dir!" Und dann versuchen diese Leute, ihnen irgendwelche kruden Meinungen, Anschauungen, Überzeugungen, Aktion oder schädlichen Kram anzudrehen. Solche Leute spielen nur den Guten Hirten, aber sie sind es nicht. Jemand, der den Guten Hirten nur spielt, ist in Wahrheit ein Mietling.

 

Aber wie kann man einen Guten Hirten von einem Mietling unterscheiden? Das ist ja gar nicht so einfach. Nun, es gelingt vielleicht nicht auf den ersten Blick. Aber auf den zweiten schon eher. Auf den dritten vollends. Versuche es mit einem einfachen Kriterium, von dem ich glaube, dass es ziemlich gut taugt. Frage dich: Sucht dieser Hirte sich und das Seine - oder ist es ihm darum zu tun, dass ich auf die Bahn komme und zu meinem Ziel? Die Perfidie des Mietlings und seine Täuschung mögen ausgebufft und perfektioniert sein. Auf die Dauer wird es ihm nicht gelingen, dir seine Schwindelei unterzuschieben. "Prüfet alles, das Gute behaltet". So wirst du einen Guten Hirten erkennen. Ich bin überzeugt, dass dagegen das Böse den Keim seines Unterganges in sich trägt und ihn auf Dauer nicht unterdrücken kann.

 

Frage also nach dem Guten Hirten und suche ihn. Lass dich nicht beirren. Lass nicht locker. Bleibe nicht bei einem Guten Hirten stehen, der es wohl gut mit dir meint, aber dessen Wirkungen sich doch als begrenzt und vorläufig erweisen. Prüfe in deinem Leben, ob es wahr sein könne, dass Christus der Gute Hirte ist, wie ich selbst gewiss glaube. Denn er hat nicht nur Geld und Gut für dich eingesetzt, sondern das Höchste und Größte, das er hat, sein eigenes Leben gegeben zu dem Zweck, dass du das Leben gewinnen sollst in Wahrhaftigkeit und Reinheit.

 

Ja, aber das Evangelium von Jesus Christus ist schon so alt geworden, so weit zurück und etwas staubig, magst du denken. Und die schrille Welt mit ihren Neuerungen und Neuigkeiten ist dagegen so blitzblank und spricht mich direkt an und ist so leicht zu verstehen und so eingängig und attraktiv.

 

Ich sage noch einmal: Lass dich nicht irre machen. Denn es ist so, dass je höher der Gegenstand, je grundsätzlicher die Botschaft und je umfassender die Wirkung ist, desto schwieriger lassen sich Worte dafür finden. Über pfiffige Apps, Fußballmeisterschaften und hippe Konsumgüter kann jeder mitreden. Über Gott nur die Wenigsten. Suche dazuzugehören. Du wirst oft den Eindruck haben, dass du es mit eigenen Worten nicht getroffen hast. Du wirst versuchen, Gottes Wege mit dir in tausend Anläufen zu durchdenken. Es wird ein beständiges Kreisen um das Wort Gottes sein, wie er es wohl gemeint und wohin der Weg wohl führen werde. Begreife es allezeit als das Höchste, dein Leben im Licht seines Wortes zu begreifen. Und sieh, dass es dich stärkt, ausrichtet und auf die rechten Weg zurückführt.

 

Dann wird dich die schrille Welt mit ihrer "Farbenlehre" nicht aus der Bahn werfen oder, falls es doch einmal geschehen sollte, dich wieder zurecht bringen. Dafür wird der Segen Gottes sorgen. Vertrauen wir darauf, dass er die Kraft schenken wird, die nötig ist, um dem Guten Hirten zu folgen auf dem Weg, der zum Leben führt.

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019