Predigt Johannistag, den 24.06.2022, Apg 19,1-7

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

Predigt am Johannistag, den 24.06.2022 auf dem Johannesfriedhof Dresden

Es geschah aber, als Apollos in Korinth war, dass Paulus durch das Hochland zog und nach Ephesus kam und einige Jünger fand. 2 Zu denen sprach er: Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet? Sie sprachen zu ihm: Wir haben noch nie gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt. 3 Und er fragte sie: Worauf seid ihr denn getauft? Sie antworteten: Auf die Taufe des Johannes. 4 Paulus aber sprach: Johannes hat getauft mit der Taufe der Buße und dem Volk gesagt, sie sollten an den glauben, der nach ihm kommen werde, nämlich an Jesus. 5 Als sie das hörten, ließen sie sich taufen auf den Namen des Herrn Jesus. 6 Und als Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der Heilige Geist auf sie und sie redeten in Zungen und weissagten. 7 Es waren aber zusammen etwa zwölf Männer. 8 Er ging aber in die Synagoge und predigte frei und offen drei Monate lang, lehrte und überzeugte sie von dem Reich Gottes. 9 Als aber einige verstockt waren und nicht glaubten und vor der Menge übel redeten von dem Weg, trennte er sich von ihnen und sonderte auch die Jünger ab und redete täglich in der Schule des Tyrannus.
Apg 19,1-7 

Ist es nicht merkwürdig, dass manche Begebenheiten, die in der Heiligen Schrift erzählt werden, in unserem Gedächtnis nicht haften wollen, so dass wir meinen, wir hätten sie noch nie gehört? Eine solche Episode ist die soeben gelesene. Ich müsste ihr schon mehrfach begegnet sein. Aber zuweilen will der Mensch erst mit der Nase darauf gestoßen werden, bevor sich eine Geschichte ihrem Inhalt und ihrer Tragweite mitteilt. 

Birgt sie denn etwas, das der Mitteilung wert wäre, über die bloße Kenntnisnahme des Erzählten hinaus? Steckt in ihr eine Botschaft, die uns Spätgeborenen des Jahres 2022 noch etwas bedeuten kann? Die Antwort lautet: Ja. 

Johannes, der „der Täufer“ genannt wird, ist wegen seiner Kargheit, Direktheit und Unbeugsamkeit in die Weltgeschichte eingegangen. Dieser Mann war unbestechlich. Er hat sich nicht der herrschenden Mehrheitsmeinung angepasst und sein Gewissen tagespolitischen Erwägungen geopfert. Das allein ist schon der Betrachtung wert. Denn es gibt nicht viele Leute in dieser Welt, denen man das nachsagen kann. 

Seine Botschaft war Blitz und Donner geblieben, denn er rief zu Buße und Umkehr. Diese Aufrichtigkeit des Gewissens haben die Leute gespürt. In Scharen begaben sie sich zu ihm in die Wüste. Denn sie dürsteten nach Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Reinheit. Johannes taufte sie im Jordanstrom zur Bestätigung  ihrer Umkehr vom falschen Wege. Nur die Besten und Aufrichtigsten sammelten sich dort, nur die, die es wirklich ernst meinten. 

In der Apostelgeschichte erzählt nun der Heilige Lukas von einer denkwürdigen Begegnung der Johannes-Jünger mit dem Apostel Paulus. In Ephesus soll es gewesen sein. „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet?“ fragt sie der Apostel Paulus. Und sie antworteten: „Wir haben noch nie gehört, dass es überhaupt einen Heiligen Geist gibt!“ Aber getauft wären sie schon; nämlich mit der Taufe des Johannes, sagen sie, welches doch eine Taufe zur Umkehr vom falschen, bösen Wege wäre. Und sie widmeten sich seither ganz einem anständigen Leben und seien ganz eifrig darauf bedacht, durch ihr Engagement dem Kampf gegen das Böse für eine bessere Welt zu führen usw. 

Was sagt der Apostel Paulus hierzu? Er sagt: Das mag ehrenwert und fein sein; aber es reicht nicht aus! So, wie das? Ja, sagt er, es mag ehrenwert sein, dass ihr als Kämpfer für einen besseren Weg im Leben eine Taufe zur Umkehr vom bösen Wege hochhaltet. Ihr nehmt es ernst - aber es reicht nicht aus. Denn das Wichtigste dessen, was Johannes der Täufer gelehrt und verkündigt hat, habt ihr überhört. 

Da mögen sie nicht schlecht gestaunt haben, die Helden des Alltags! Wo sie sich doch solche Mühe geben, stets auf dem rechten Wege zu wandeln. Denn sie sind streng mit sich selbst und wahrscheinlich noch strenger mit den Mitmenschen. Denn sie wissen ja ganz genau, dass es der Umkehr bedarf, dass es so nicht weiter gehen kann wie bisher usw. Sie haben doch eine große Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten des Weltenlaufes genommen und gehandelt. So sind sie denn ganz überzeugt von der Werthaltigkeit ihrer Weltanschauung. 

Mir will scheinen, dass die Welt bis heute voll ist von Leuten, die so ähnlich denken und handeln. Hier erblicken wir die Schnittstelle von einst und jetzt. Es gab und gibt haufenweise Leute, die es ganz, ganz gut meinen mit ihrem Bußeifer. Das sind die, die stets sagen: Wir brauchen eine Wende, ein Ruck muss durch die Gesellschaft gehen, wir - sie sagen gern und oft „wir“ - wir müssen das alles völlig anders und viel, viel besser machen. Ihr Signum ist oft eine zur Schau getragene Weltrettungsattitüde aus eigener Kraftanstrengung. Dabei lehrt doch die Gesichte, dass dergleichen immer schief geht. Auch heute geht es wieder schief. Es genügt eben nicht, dass etwas nur gut gemeint ist.

Die Verkündigung Johannes des Täufers war eine andere. Sie kennt ein zweites Wort. Wohl spricht er: Tut Buße, kehrt um von euren falschen Wegen! Aber das wichtigere ist und bleibt doch das zweite: Glaubt an das Evangelium! Hört auf den, der nach mir kommt. Er ist das Heil der Welt und wird euch in alle Wahrheit führen. 

Das heißt, im Proklamieren der Umkehr allein liegt noch nicht das Heil. Aber wo Christus lebt und webt, da muss wohl Heil sein. Wäre Christus da, fände der Mensch den rechten weg. Alle „Macher“ hören das nicht gern. Solche Lehre erscheint ihnen zu passiv. Sie kommen doch so gern zum Zuge mit all ihrer Klugheit. 

Die Leute damals aber wurden stutzig. Vielleicht hatten sie schon gemerkt, dass im alleinigen Umkehrruf massenhaft Gefahren lauern. Wer weiß, vielleicht changierte ihr Leben zwischen Selbstüberhebung und Ohnmacht hin und her. Nein, das ist nichts. 

Unsere Geschichte geht so aus, dass der Apostel die Johannes-Brüder auf den Namen des dreieinigen Gottes tauft. Das muss ihnen wie eine Erlösung vorgekommen sein. Der göttliche Geist Christi schenkte sich ihnen in einer solche Fülle, dass ihr ausgetrocknetes Inneres grünte und blühte wie eine Wüste nach dem Regen. So wird es erzählt. 

Fest steht, dass sich in der Heiligen Taufe der Geist Gottes schenkt. Es mag sein, dass er weht, wo er will, still und beständig bei dem einen, plötzlich und unbändig bei dem anderen. Aber es ist an der Zeit, dass wir uns dieses Heiligen Geistes wieder vergewissern. Er bewahre uns vor aller Selbstüberhebung und leite uns in Fröhlichkeit nach seinem Willen. 

Im übrigen glaube ich, dass die Völker der westlichen Welt von ihrer zerstörerischen Hybris nur loskommen, wenn sie dem Geist Gottes wieder vertrauen. 

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019