Predigt zum 18. Sonntag nach Trinitatis, den 11. Oktober 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

„Das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir's hören und tun? Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für mich über das Meer fahren und es uns holen, dass wir's hören und tun? Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.“ 5. Mose 30,11-14

 

Es gibt Menschen, die planen heute schon, was über-übermorgen geschehen soll. Ich kannte solche. Sie haben hochfahrende Träume. Sie wollen nach den Sternen greifen. Ihre Gedanken schweifen in weite Ferne. Sie wissen heute, was in vier Jahren, sodann in neun Jahren und auch in 20 Jahren sein soll und leben darauf hin.

Ist das falsch? Nein, das ist natürlich nicht falsch. Wir alle leben in Lebensplanungen, das ist bis zu einem gewissen Grade unerlässlich. Aber, wie immer und überall: Die Dosis macht das Gift. Wer in seinen Gedanken zu weit weg ist, d. h. im Himmel schwelgt oder zu weit abschweift, d. h. sich über ein Meer hinweg sehnt, der zerreißt das Band zu seiner eigenen Gegenwart.

Das ist deshalb so, weil wir die Gegenwart verlieren, wenn wir aus ihr herausspringen. Wer immer schon im Übermorgen ist, kann nicht im Heute leben. Im Ergebnis wird die Gegenwart entwertet. Das ist nicht richtig.

Hier stoßen wir an ein Lebensrätsel. Wir leben im strengen Sinne nur in der Gegenwart. Das Leben geschieht jetzt. Im Moment ist es wirklich. Alles andere ist entweder schon vergangen oder nur eine bloße Möglichkeit in der Zukunft, von der wir nicht wissen, ob sie eintreten wird.

Die Heilige Schrift erinnert uns daran, dass das Gebot Gottes nicht weit weg ist. Es ist nicht im Himmel und auch nicht jenseits des weiten Meeres. Die Wahrheit ist: Wir können und wollen uns ihm nicht entziehen. Es ist uns näher als nah.

„Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust“. Das bedeutet, dass das Wort Gottes nicht eingeklemmt bleibt zwischen zwei Buchdeckeln. Gott behält es nicht für sich. Er schenkt es den Menschen, die nach ihm suchen und aus seinem lebensspendenden, tröstenden, froh und frei machenden Wort leben sollen.

Ich hoffe, Ihr gehört dazu. Das Wort Gottes übt keinen Zwang aus. Im Gegenteil, es führt und leitet in die Freiheit von Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Es gilt der Gegenwart und macht heute stark, nicht gestern oder erst morgen, nicht in den Fernen von Irgendwo-Nirgendwo. Wer es hört, kann weder an den Bürden der Vergangenheit verzweifeln, noch sich vor den Dingen, die etwa kommen sollen, ängstigen. Darum glauben wir.

Gott redet die ganze Zeit. Sein Heiliger Geist lebt in unseren Herzen. Was wir davon verstanden haben, soll unsere Rede bezeugen. Sie soll rein, wahrhaftig und heilsam sein, da sie doch "aus Gott" ist.

Ist sie nicht rein, wahrhaftig und heilsam, dann schweige sie lieber. Dann folgt auch kein Werk aus Glauben, sondern allerlei gottloses Treiben. Gottlosigkeit ist "aus der Welt". Sie ist verlogen und merkt es oft noch nicht einmal. Das ist auch tragisch. Aber die Lüge kann nicht der Wahrheit dienen und die falsche Tat nicht dem Rechten. Es gehört zu den verheerendsten Irrtümern unserer Zeit, dass mancher meint, der Zweck heilige die Mittel. Er tut es nicht. Allein das wahrhaftige Wort Gottes heiligt der Menschen Wort und Tat und alle Mittel dazu.