Gedanken zur Tageslosung am Mittwoch, den 9. September 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

"Es sollen hertreten und dir helfen die Sterngucker, die an jedem Neumond kundtun, was über dich kommen werde! Siehe, sie sind wie Stoppeln, die das Feuer verbrennt." Jes 47,13-14

 

Dieser Vers entstammt dem fünfstrophigen Gedicht, das in der alttestamentlichen Wissenschaft "Völkerspruch" genannt wird. In der Sache ist es eine gegen Babylon gerichtete Unheilsprophetie verheerenden Ausmaßes. Es geht einem durch und durch, wenn man das ganze Kapitel 47 liest. Es verkündet Schande, Scham und Schmerz über Babylon, die Stolze, Schicke und Selbstverliebte.

 

Im Lesen des Kapitels durchzuckte mich der Gedanke: Was, wenn man Deutschland statt Babylon einsetzte? Ich möchte diesen Gedanken schroff zurückweisen. Das kann doch nicht sein und ist auch ganz unhistorisch. Wir haben es doch hier mit einem zweieinhalbtausend Jahre alten Text zu tun. Aber, wie es manchmal geht; bohrt sich ein Gedanke ungebeten in das Hirn hinein, bekommt man ihn so schnell nicht wieder los. Also, ich will mal hoffen, dass es nur so eine törichte Marotte von mir ist.  

Die Rede von den Sternguckern zielt auf allerlei Haus- und Hofastrologen ab. Das waren die Besserwisser von Babylon. Man pflegte dort eine Astralreligion, in der der Auf- und Niedergang von Sternen und Sternchen das Maß aller Dinge war. Diese Leute erblickten ihren Lebenssinn darin, stars und starlets zu betrachten.

 

Das Sterndeuter-Wort bei Jesaja ist nun etwas hintersinnig. Naturgemäß benötigen Astrologen für ihre Beobachtungen größtmögliche Dunkelheilt. Sie fliehen den Tag, sie meiden das Licht, sie leben im Reich der Dunkelheit. Nicht einmal das hellste Gestirn der Nacht, ist ihnen recht. Neumond muss herrschen; also je dunkler desto besser. Jesaja fragt sich: Was können sie erkennen, wenn sie im Dunklen herumstochern und nach eigenwilliger Kasuistik an größeren und kleineren Lichtpunkten herumdeuteln? 

 

"Gott der Herr ist Sonne und Schild", "Wahrheit, Licht und Leben", dessen " Licht in die Finsternis" scheint. Dass Gott nicht anders als voll strahlender und gleißender Helligkeit beschrieben werden kann, der sich so offenbart, dass "kein Dunkel in ihm ist" - all das kann ein rechter Sterndeuter nur schwer nachvollziehen. Wer an der falschen Stelle sucht, der kann nichts Rechtes finden.

 

Jesaja brandmarkt dieses Treiben mit einem krassen Wort."Siehe, sie sind wie Stoppeln, die das Feuer verbrennt." Diese Zukunfts-Besserwissereien, die die Offenbarung des göttlichen Willens an der falschen Stelle suchen, sind hohl wie Strohhalme, ohne Saft und Kraft. Außerdem sind sie als Überreste eines längst abgeernteten Feldes fruchtlos. Sie sind nichtig, eine Handvoll Asche, nachdem ein schnelles, verheerendes Feuer darüber hingegangen ist.

 

Vom Propheten Jesaja ist zu lernen: Das Wort, das ihm Gott offenbart, steht nicht in den Sternen, sondern schenkt sich der Welt. Dieses Wort hat Bestand und wird für den bedeutsam, der es hören kann und in sein Herz aufnimmt. Es braucht keine geheime Kasuistik dafür. Es braucht Treue im Hören, Vertrauen in seine Kraft und das Festhalten seiner Verheißung. Lasst uns das mit klarem Blick erkennen, damit wir dem nebensächlichen Firlefanz nicht verfallen.

 

"Lasst euch nicht durch mancherlei und fremde Lehren umtreiben, denn es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade." Hebr 13,9

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019