Gedanken zur Tageslosung am Dienstag, den 1. September 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner

"Es wird geschehen zu der Zeit, dass die Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker." Jes 11,10

 

Ich habe in diesem Frühling zusammen mit meinen Kindern 1000 junge Eichen, Vogelkirschen und Walnussbäume in ein Waldstückchen gepflanzt, dessen stattliche Fichten Opfer des Borkenkäfers geworden waren. Die jungen, zarten Wurzeln reichen noch nicht tief. Darum waren die Bäumchen in diesem trockenen Sommer gefährdet. So bin ich viele Male mit eine großen Ladung von Wasserkanistern in den Wald gefahren und habe die Jungbäume gegossen, so gut ich konnte. Trotzdem haben etwa 20% die heißen Wochen nicht überstanden. 

 

Bei den Wurzeln alter Bäume sieht es anders aus. Sie sind zwar nicht sichtbar, aber natürlich notwendig. Eichen, sagt man, bilden ein Wurzelsystem, das die Größe der Krone noch übertrifft. Der Baum gewinnt Tiefe über seine Wurzeln, die bis an das Grundwasser reichen, Nährstoffe transportieren und Halt geben. So übersteht er Dürre, Hochwasser, Wind, Wetter und Hagelschlag. Selbst wenn der Sturm Schaden tut, treibt ein neues Reis, das sich mit der Zeit zu einer Krone verzweigt, die den Vögeln des Himmels eine Heimat bietet.

 

" Es wird geschehen zu der Zeit, dass die Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker." Dieses Wort entstammt dem berühmten Kapitel des Jesajabuches, das eine Kernlesung für den Heiligen Abend ist. Es verheißt den Messias und sein Friedensreich, der aus den Nachfahren des Isai über den König David in eine Zeit des Segens und des Heiles führt. Die Kirche sieht diese Verheißung in Jesus Christus erfüllt. "Es ist ein Ros' entsprungen aus einer Wurzel zart".

 

Gott hatte es vor langer Zeit so angelegt. In Zeit und Geschichte musste die Wurzel Tiefe gewinnen und mächtig werden, bevor sie letztlich das entscheidende Reis hervorbrachte. Dieses Reis treibt noch immer, verzweigt sich fort und wächst. Es unterliegt Stürmen und bösen Wettern, ohne Frage, aber es blüht und fruchtet wieder und wieder.

 

Am vergangenen Sonntag beklagte sich bei mir ein Bekannter, dass das kirchliche Leben und die kirchliche Verkündigung so wenig Attraktion auf Jugendliche hätte. "Da müsst ihr mal 'was machen!", sprach er. Und als ich ihn zurückfragte, was zu tun sei, fiel ihm auch nichts besonders Kluges ein. Wenn das so einfach wäre! Wir geben uns ja Mühe. Aber zuweilen scheint mir, wir gleichen dem chinesischen Reisbauern, der, in der Hoffnung, die Pflanzen möchten schneller größer werden, an ihnen zupft und rupft. Was richtet er damit aus?

 

"Es wird geschehen zu der Zeit" - ich glaube, die Zeit ist entscheidend. Wenn ein Samenkorn in die Erde gelegt ist, dann braucht es Zeit um aufzugehen und zu wachsen. Das ist doch klar. Ich denke fast, mit dem Christentum und unserem Glauben ist es nicht anders. Ich wünschte auch, dass meine vielen Konfirmanden dem Glauben sichtbarer verbunden blieben als es der Fall ist. Aber warte, es kommt die Zeit, dass sie merken, wie wichtig es ist, eine Wurzel zu haben, Hoffnung zu bekommen, Trost zu finden und ein für alle Mal zu wissen, wo man hingehört in dieser sich selbst entfremdeten Welt. In der Gemeinschaft der auf den Namen des dreieinigen Gottes Getauften ist das alles zu haben.

 

"Als Jesus aus dem Wasser stieg, sah er, dass sich der Himmel auftat und der Geist wie eine Taube herabkam auf ihn. Und da geschah eine Stimme vom Himmel: Du bist mein lieber Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen." Mk 1,10-11

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019