Gedanken zur Tageslosung für Freitag, den 21. Juli 2020

von Pfarrer Dr. Friedrich Christoph Ilgner 

"Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne." Jes 47,13

 

 

Über dem  Portal des Hauses Mengstraße 4 in Lübeck findet sich die lateinische Inschrift "Dominus providebit". Thomas Mann ist in diesem Haus als Kind und Jugendlicher aufgewachsen. Unter dieser Inschrift musste er immer hindurchgehen. Sie ist doppeldeutig. Der Nowgorodfahrer Johann Michael Croll, der dem Haus 1758 eine neue Gestalt gab, hat ihn sicher so aufgefasst: "Der Herr wird vorsorgen." Möglich ist aber auch die Übersetzung "Der Herr wird es voraussehen".

 

Mit dieser Bedeutungsnuance spielt Thomas Mann, der sie in den "Buddenbrooks" auf den "Verfall einer Familie" deutet. Gott, der die zukünftigen Dinge voraussieht, sieht auch den Untergang voraus. Es geht dem Leser durch und durch, wenn es am Ende des heiter-jovialen Eingangskapitels nach Betrachtung des Spruches heißt, dass es war, als ginge ein Riss durch das ganze Haus. So ist im ersten Kapitel schon die ganze tieftraurige Geschichte wie in einer Nussschale enthalten.

 

Unser Bibelwort ist der Ansage eines Strafgerichts über Babylon entnommen. Der Prophet sieht Schande und Niedergang voraus und beschreibt diese furchtbare Zukunft als Gottesrede. Es sind erschütternde Bilder. "Du hast dich müde gemacht mit der Menge deiner Pläne", heißt es, um das nutzlose, aufgeregte, selbstgefällige, eitle und törichte Handeln zu kennzeichnen. Das bezieht sich hier auf Babylon, nicht auf das jüdische Volk. Allerdings wird auch nicht verschwiegen, dass die Juden aufgrund eines göttlichen Strafgerichts überhaupt erst Opfer babylonischer Eroberungspolitik geworden waren. Gott lässt sich von niemandem narren.

 

Der Prophet spricht eine konkrete geschichtliche Situation an. Wie es aber häufig mit der Heiligen Schrift geht, so auch hier. Es fällt gar nicht schwer, durch diese Bilder hindurch in unsere Gegenwart zu blicken. Man lese das gesamte 47. Kapitel im Jesajabuch. Es trifft uns, ja ganz Deutschland und die Länder Europas mit Wucht.

 

Können wir die Warnung heraushören? Trifft sie unsere verrückte Zeit und die wirren politischen Kräften, denen wir ausgesetzt sind? Hat es am Ende mit uns persönlich zu tun?

 

Leider können wir das alles nicht ausschließen. Die Befürchtung, dass die Menschheit fortfährt, ungute Entwicklungen ins Werk zu setzen, sitzt tief. Was hat Gott vor? Wo soll das hinführen? Welchem Zweck dient die Destruktion der Kardinaltugenden?

 

Ich weiß es wirklich nicht. Gott muss es wissen. Er, der alles in allem ist, sieht ganz gewiss auch das Unheil voraus, durch das wir hindurch müssen. Aber er trägt zugleich Sorge darum, dass sein Volk - und wir in ihm - nicht vollends zu Grunde gehen wird. Wer auf Christus hören kann und dem vertraut, was er vom Reich Gottes verkündigt hat, kann vor der Zukunft dieser Welt keine Angst haben.

 

Diese angstfreie Haltung, die voll Vertrauen ist, drückt sich in einer berühmt gewordenen Episode aus dem Leben Jesu aus. Einmal kamen die Jünger zu ihm und fragten ihn: "Wer ist nun der Größte im Himmelreich? Und er rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen." Mt 18,1-3

Quelle
Gemeindebrief Christuskirche Mai 2019